Man muss schon ein besonderer Mann sein, um als überreflektierter Philosophiestudent sowie daraus resultierendem konsumkritischen Gedankengut unter dem Blondschopf mit Wonne Nippes & Gedöns zu verkaufen. Getoppt wird das nur noch, wenn man dem Ganzen den Namen FREIRAUM gibt. Wer den kleinen Laden von Daniel Lichy in der Kröpeliner-Tor-Vorstadt in Rostock betritt, landet in einem Gemischtwarenladen für Kurioses, Famoses und Schönes und wenn der Chef Zeit hat, mitten in einer Diskussion um Menschenrechte und Weltfrieden.
– von Manuela Kuhlmann –

Daniel Lichys FREIRAUM ist ein Gemischtwarenladen für Kurioses, Famoses und Schönes im Barnsdorfer Weg.
Denn in Daniel Lichys FREIRAUM gibt es besonderen Schnickschnack, vieles mit maritimen Flair und oft handmade in MV. Eines seiner Chef-Credos ist dabei: Konsum ja – aber wenn es irgendwie geht, nachhaltig. Stolz zeigt Daniel Lichy auf Kaffeebecher und Kindergeschirr aus Bambus, welches besonders ressourcenschonend hergestellt wird und kompostierbar ist. „Wenn ich solche tollen Sachen finde, freue ich mich besonders. Alles, was im Ladengeschäft bewundert werden kann hat uns persönlich überzeugt und begeistert.“
Und so sucht man in der reichlichen Fülle des Angebotes auch vergeblich lieblosen Krimskrams aus Fernost, sondern findet handgenähte Handtaschen, selbstgemachten Schmuck und Mode die Rostock feiert. Ringel-Shirts und Anker-Sweater trägt der Chef mit Hang zu ausgestopften Tieren übrigens selbst ganz gern.
Mittlerweile hat sich der Laden im Barnsdorfer Weg längst etabliert und neben dem Touristen-Publikum sogar Stammkunden. Anne Rieck ist die gute Seele hinter dem Verkaufstresen und erzählt: „Uns bringen Stammkunden schon mal ein Glas Marmelade oder einen Kräuterstrauß vorbei.“ In diesem Jahr lief es richtig gut. Doch die Mannschaft des FREIRAUMS hat auch Durststrecken hinter sich. Anne hat hier ihre Lehre zur IHK-Kauffrau gemacht. „Manchmal war es schon mitgehangen, mitgefangen“, sagt sie. „Es mag sein, dass es im Kaufhof sicherer ist, allerdings so nette Stammkunden oder einen Lieblingspaketboten wie hier, gibt es dann eben nicht“, und verpackt liebevoll die letzten Geschenke weihnachtlich.
Und natürlich gibt es hier etwas, was bei einer großen Kette undenkbar wäre. Die Sorge um die Mitarbeiter, um Menschen und das Umfeld. Lichy zahlte immer mehr als den heutigen Mindestlohn. „Entweder es geht so, oder gar nicht“, sagt er. „Die strukturelle und systematische Benachteiligung muss aufhören. Irgendwer muss den Anfang machen, auch im Kleinen.“ Heute ist er stolz: „Der Laden ermöglicht es drei Familien zu existieren.“ Er ist im Kiez auch ein Anlaufpunkt für soziale Projekte und Gemeinschaftssinn. „Irgendwie entsteht eine Verbindung zwischen Konsum, Nachhaltigkeit und Bildungsarbeit“, philosophiert Daniel Lichy. Die Rechnung geht für ihn nicht schon auf, wenn schwarze Zahlen gemacht werden, sondern erst wenn auch gesellschaftliche Verantwortung übernommen wird. Er versucht Anlaufstelle im Kiez zu sein, zu helfen. Schon vor den Flüchtlingsströmen unterstützte er die Initiative MV für Kobane, die beim türkischen Imbiss schräg gegenüber ins Leben gerufen wurde. Seine Freunde der Punkband „Feine Sahne Fischfilet“ machen Bildungsarbeit mit Abiturienten. Für ihn zählt: „Es ist wichtig Staub aufzuwirbeln, auch mit unseren begrenzten Mitteln…“

Gemischtwarenladen der besonderen Art. Daniel Lichy (re.) und Anne Rick (li.). Foto: Manuela Kuhlmann
… und schon ist man mittendrin, in einer kleinen politischen Diskussion umringt von Nippes & Gedöns. Wie herrlich!
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